Quelle: Spektrum der Wissenschaft - Ausgabe August 2005


Die Zukunft des Wetters

Hurrikane an der Leine

Von Ross N. Hoffman


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Erste Impfversuche per Fugzeug (Seite 31)

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       Da Hurrikane ihre Energie hauptsächlich aus der Wärme beziehen, die bei der Kondensation von Wasserdampf zu Wolken und Regen freigesetzt wird, konzentriert sich die ersten Versuche zur Zähmung der Wirbel auf das Eingreifen in den Kondensationsprozess. Dazu gab es damals nur ein praktikables Verfahren: die Wolkenimpfung. Anfang der 1960er Jahre testete ein wissenschaftliches Beratungsgremium der US-Regierung im Rahmen des Projekts "Sturmwut" ("Stormfury") mit einer Reihe mutiger, wenn nicht tollkühner Experimente die Machbarkeit dieses Ansatzes.
       Die Absicht war, den Niederschlag im ersten Regenband außerhalb des Auges zu verstärken und dadurch die Entwicklung des Hurrikans zu bremsen. Als Mittel dazu impfen die Forscher die Wolken mit Silberiodidkristallen, die sich aus Flugzeug abwardfen. Die ausgestreuten Feststoffe sollten als Kondensationskeime in dem unterkühlten Wasserdampf, der in die höchsten, kältesten Regionen des Wirbels aufgestiegen war, Eispartikel entstehen lasse, sodass die Wolken schneller anwachsen und die Vorräte an feuchtwarmer Luft über der Meeresoberfläche aufbrachen, die andernfalls die anwachsende Augenwand füttern würden. Auf diese Weise nähme, so die Theorie, der Radius des Auges zu und die Stärke des Hurrikans entsprechend ab - wie bei einer Eisläuferin, die bei einer Pirouette die Arme ausbreitet, um langsamer zu werden.

Chaostische Wetterküche

       Die Ergebnisse waren in besten Fall gemischt. Heute halten Meteorologen das Impfen con Hurrikanwolken mit Kondenskeimen für wenig wirksam, weil die Luft im Wirbel entgegen früheren Annahmen kaum unterkühlten Wasserdampf enthält.
Unsere aktuellen Untersuchungen sind aus einer Idee heraus geboren, die ich vor dreißig Jahren als graduierter Student bei der Beschäftigung mit der Chaostheorie hatte. Als chaotisch bezeichnet man ein System, das vom Zufall bestimmt scheint, tatsächlich aber präzisen Regeln gehorcht. Das entscheidende Merkmal ist eine hohe Empfindlichkeit gegenüber den Anfangsbedingungen, wodurch minimale, scheinbar unbedeutende Auswirkungen haben, die in kurzer Zeit unvorhersehbare Folgen nach sich ziehen. Im Fall der Hurrikane etwa können winzige Variationen bei Faktoren wie der Meerestemperatur, der Lage großräumiger atmosphärischer Strömungssysteme wie des Strahlstroms oder sogar der Form der um das Auge rotierenden Regenwolken die Zugbahn und Intensität des Sturms stark beeinflussen.
       Für Meteorologen ist die enorme Empfindlichkeit der Atmosphäre gegenüber winzigen Einflüssen, durch die sich kleine Fehler in den Wettervorhersagemodellen rasch potenzieren, ein Ärgernis, das langfristige Vorhersagen so schwierig macht. Ich dagegen fragte mich, ob geringfügige, künstlich verursachte Störungen in einem Hurrikan ähnlich gravierende Folgen hätten und ob es auf diese Art gelingen könnte, den Sturm zu beeinflussen - ihn also zum Beispiel von dicht bevölkerten Regionen wegzulenken oder die Windgeschwindigkeit zu drosseln.
       Damals war ich nicht in der Lage, diese Ideen weiterzuverfolgen, aber im vergangenen Jahrzehnt sind die Methoden der Computersimulation und Fernerkundung so weit vorangeschritten, dass mein Interesse an einer großräumiger Beeinflussung des Wetters wieder auflebte. Mit finanzieller Unterstützung durch das Nasa-Institut für fortschrittliche Konzepte modellieren meine Mitarbeiter und ich bei der Firma Atmospheric and Environmental Research (AER) - einem Dienstleister im Bereich Forschung und Entwicklung - Hurrikane im Rechner und suchen nach Erfolg, versprechenden Steuerungsmöglichkeiten, die dann in realen Versuchen ausprobiert werden könnten. Im Besonderen simulieren wir das Verhalten früherer Wirbelstürme und testen die Auswirkungen verschiedener Eingriffe, indem wir schauen, welche Änderung sie bei den modellierten Stürmen hervorrufen.

Manipulation im Modell

       Die besten heutigen Computermodelle zur Wettervorhersage taugen mit einiger Anstrengung auch dazu, Hurrikane nachzubilden. Sie stimulieren die Entwicklung des Wetters - oder eben auch eines Wirbelsturms -, indem sie den wechselnden Zustand der Atmosphäre in kurzen, aufeinander folgenden Zeitschritten berechnen. Dabei lautet eine Grundnahme, dass innerhalb der Lufthülle keinerlei Masse, Energie, Impuls und Feuchtigkeit entsteht oder vernichtet wird. Ein wanderndes System wie ein Hurrikan führt diese Größen, deren Gesamtbetrag jeweils unveränderlich bleibt, in der Strömung mit sich. An seinen Rändern oder Grenzen aber verhält es sich anders. An der Meeresoberfläche zum Beispiel können sich die Gesamtbeträge für die vier Größen innerhalb der Atmosphäre erhöhen oder erniedrigen.
       Für Meteorologen ist der Zustand der Atmosphäre durch einen vollständigen Satz physikalischer Variablen wie Druck, Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und -richtung bestimmt. Sie entsprechen den Größen, die bei der Computersimulation erhalten bleiben. In den meisten Wettermodellen sind die beobachten Messwerte auf einem dreidimensionalen Gitter definiert, das die Atmosphäre verkörpert. So lässt sich der Verlauf jeder Eigenschaft in einem Höhenniveau als Karte darstellen. Die Gesamtheit der Werte aller Variablen auf dem Gitter heißt Modellzustand.
       Um eine Vorhersage zu erstellen, erzeugt das Computerprogramm aus einem solchen Modellzustand denjenigen, der wenig später eintritt, und dann den jeweils nächsten, wobei es diese Prozedur zigfach wiederholt. Die Zeitabstände liegen dabei zwischen einigen Sekunden bis Minuten - je nach der Auflösung oder Genauigkeit, mit der die Wetterentwicklung simuliert werden soll. Letztlich berechnet der Computer für jeden Zeitschritt die Auswirkungen der Winde, welche die verschiedenen Erhaltungsgrößen mitführen, sowie von Prozessen wie solarer Aufheizung, Verdunstung, Niederschlag, Oberflächenreibung und Wärmeabstrahlung, die in dem interessierenden Gebiet auftreten.
       Meteorologische Vorhersagen sind zwangsläufig unvollkommen. Das liegt unter anderem daran, dass bereits der Modellzustand zu Beginn immer unvollständig und ungenau ist. Bei einem Hurrikan lassen sich die Anfangsbedingungen besonders schwer ermitteln, weil direkte Beobachtungsdaten spärlich und nur mühsam zu bekommen sind. Das ist umso fataler, als gerade Hurrikane, wie wir aus Satellitenbildern der Wolken wissen, ungewöhnlich komplexe, detailreiche Strukturen haben. Leider liefern die Wolkenbilder, auch wenn sie potenziell nützlich sind, nicht annährend genug Informationen.

Rückwärtskorrektur des Anfangszustands

       Aber auch bei perfektem Ausgangszustand des Modells bliebe die Simulation schwerer tropischer Stürme fehlerhaft. Der Grund sind Unzulänglichkeiten der Computermodelle, in denen sich zum Beispiel Vorgänge auf Skalen unterhalb des Abstands benachbarter Gitterpunkte nicht darstellen lassen. Deshalb werden die Strukturen des Hurrikans in der Nähe der Augenwand, seinem Bedeutendsten Element, geglättet und die Details verwischt. Zudem verhalten dich die Modelle - ebenso wie die Atmosphäre die sie simulieren - chaotisch, wodurch sich Fehler der genannten Art im Verlauf der Berechnungen schnell aufschaukeln.
Trotz dieser Probleme bleibt Computersimulation wertvoll für unsere Zwecke. Um die Beeinflussbarkeit von Hurrikanen zu prüfen, modifizierten wir eine hoch entwickelte Methode zur Festlegung des Ausgangszustands einer Wettervorhersage, das so genannte vierdimensionale variationelle Datenassimiliationsverfahren (4dVar). Die im Namen erwähnte vierte Dimension ist die Zeit. Forscher am Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage in Shinfield Park (England), einem der weltweit führenden Zentren für Meteorologie, verwenden dieses Verfahren für die tägliche Wettervorhersage.
       Um das beste aus den Messwerten zu machen, die Satelliten, Schiffe, Wetterstationen und Ballons vor Beginn der Vorhersage geliefert haben, verknüpfen die Meteorologen diese Beobachtungsdaten mit einer fundierten ersten Näherung des aktuellen Zustands der Atmosphäre. Dieser Vorgang heißt Datenassimilation. Als erste Näherung dient gewöhnlich die sechs Stunden zuvor erstellte Vorhersage für den Zeitpunkt der Datennahme. Das Ergebnis der Verknüpfung der echten Daten und der ersten Näherung dient dazu, die nächste Sechs-Stunden-Vorhersage zu starten.
       In der Theorie approximiert die Datenassimilation das reale Wetter optimal, da sie den Modellzustand sowohl an die direkten Beobachtungen als auch an die Sechs-Stunden-Vorhersage anpasst und somit beide austariert. Obwohl die statistische Grundlage der Methode eindeutig ist, erfordert ihre konkrete Umsetzung allerdings zusätzliche Annahmen und Informationen, die sich nur schätzen lassen. In der Praxis der Datenassimilation steckt deshalb ein gerüttelt Maß an Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
       Das 4dVar-Verfahren ermittelt einen Atmosphärenzustand, der den Modellgleichungen genügt und zugleich der ersten Näherung wie auch den Beobachtungsdaten sehr nahe kommt. Es löst diese schwierige Aufgabe, indem es den Modellzustand, welcher der vor sechs Stunden gemachten Vorhersage zu Grunde lag, nachträglich anhand der Abweichungen zwischen dieser Vorhersage und den neuen Beobachtungsdaten korrigiert. Dazu berechnet es aus den Abweichung die Empfindlichkeit des Modells, das heißt den Grad, in dem sich kleine Änderungen bei jedem einzelnen Parameter auf die Güte der Anpassung an die realen Messwerte auswirken.
       Diese Berechnung, die ein so genanntes adjungiertes Modells benutzt, durchläuft das sechsstündige Vorhersageintervall rückwärts in der Zeit. Ein optimierungsprogramm ermittelt schließlich die Korrekturen an dem ursprünglichen Modellzustand, die dafür sorgen, dass ein neuerlicher Simulationslauf die tatsächliche Entwicklung des Wetters - während der sechs Stunden möglichst genau nachbildet.
       Weil die nachträgliche Korrektur anhand approximierter Modellgleichung erfolgt, muss der gesamte Vorgang - die Simulation, die Ermittlung des Abweichungen, das Aufstellen des adjungierten Modells und die Optimierung - zur Feinabstimmung der Ergebnisse viele Male wiederholt werden. Das Endresultat all dieser Durchgänge dient dann als erste Näherung für die nächste Sechs-Stunden-Vorhersage.
       Mit diesem Verfahren lassen sich nachträglich frühere Hurrikane simulieren. Anschließend kann man einen oder mehrere Parameter zu verschiedenen Zeitpunkten variieren und nachschauen, wie sich die Störungen auswirken. Dabei zeigt sich, dass sich der anfängliche Effekt meist nach kurzer Zeit verflüchtigt. Nur Eingriffe mit speziellen Eigenheiten - einem Muster oder einer besonderen Struktur, die zu einer Selbstverstärkung führt - wachsen sich so weit aus, dass sie den Verlauf des Sturms merklich beeinflussen.
       Zur Veranschaulichung kann man sich zwei Stimmgabeln vorstellen, von denen die eine angeschlagen wird. Ist die andere nicht auf den gleichen Ton gestimmt, schwingt sie nicht mit, obwohl die akustischen Wellen, die von der ersten Gabel ausgehen, an ihr rütteln. Nur wenn sie dieselbe Eigenfrequenz hat, gerät sie in Resonanz und beginnt auch zu vibrieren. Analog gilt es bei einem Hurrikan genau den richtigen Stimulus - Änderungen der Parameter - zu finden, damit eine dauerhafte Reaktion in der gewünschten Richtung auftritt.

Den Sturm besänftigen

       Unsere Forschungsgruppe bei AER hat Stimulationsversuche zu zwei schweren Wirbelstürmen von 1992 durchgeführt. Als damals im September der Taifun Iniki direkt über die Hawaii-Insel Kauai hinwegzog, forderte er etliche Menschenleben und verursachte erhebliche Sachschäden. So walzte er ganze Wälder platt. Auch Hurrikan Andrew, der einen Monat vorher knapp südlich von Miami über Florida hereingebrochen war, hinterließ einer Spur der Verwüstung.
       Trotz all der Unzulänglichkeiten auch modernster Vorhersagemethoden war unser erster Simulationsversuch überraschenderweise gleich ein Erfolg. Wir versuchten, den Modellzustand von Iniki dreißig Stunden vor dem Landfall auf Kauai so zu verändern, dass sich der Taifun sechs Stunden später hundert Kilometer westlich seiner tatsächlichen Zugbahn befände. Entsprechend erzeugten wir künstliche Messdaten, die zu diesem angestrebten Zielort passten, und fütterten damit das 4dVar-System. Dann ließen wir den Computer die kleinste Änderung am ursprünglichen Datensatz berechnen, welche die veränderte Zugbahn liefern würde. Dabei ließen wir zunächst einmal jede künstliche Veränderung des Sturmsystems zu -unanhängig davon, ob sie auch real machbar wäre.
       Wie sich zeigte, betrafen die wichtigsten Veränderungen die Anfangstemperaturen und -winde. An den meisten Punkten im Gitternetz waren die Anpassungen minimal und lagen im Bereich von zehntel Graden. Die größte Modifikation ergab sich für die unterste Modellschicht westlich des Sturmzentrums, wo die Temperatur beim manipulierten Hurrikan um fast zwei Grad Celsius höher lag. Auch die Windgeschwindigkeiten änderten sich im Allgemeinen nur wenig: um drei bis fünf Kilometer pro Stunde. Wiederum aber gab es Ausnahmen an einigen wenigen Stellen. So divergierten in der Nähe des Sturmzentrums wegen geringfügiger Änderungen der Windrichtung die Geschwindigkeiten um bis zu dreißig Kilometer pro Stunde.
       Obwohl beide Computerversionen von Iniki, die ursprüngliche und die abgewandelte, fast die gleiche Struktur zeigten, reichten die Unterschiede bei den Schlüsselvariablen aus, den manipulierten Taifun in den nächsten sechs Stunden nach Westen abdriften zu lassen, bevor er in Richtung Norden weiterzog. Kauai blieb dadurch vor dem Schlimmsten bewahrt. Die relativ kleinen künstlichen Eingriffe in die Anfangsbedingungen pflanzten sich durch den komplexen Satz nichtlinearer Gleichungen hindurch fort und ließen den simulierten Sturm nach sechs Stunden an dem gewünschten Ort ankommen.
       Dieser erste Versuch bestärke uns in dem Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Herauszufinden, an welchen Schrauben man drehen musste, um schließlich auch echte Hurrikane zu beeinflussen, schien kein Ding der Unmöglichkeit. Bei den nächsten Simulationen verwendeten wir dann engmaschigere Gitter und stellten das 4dVar-System auf das Ziel ein, die Sachschäden zu minimieren.
       Bei einem Versuch mit dem so abgewandelten Programm berechneten wir, die Temperaturänderungen, die nötig gewesen wäre, um die Stärke der Bodenwinde von Hurrika Andrew beim Landfall in Florida zu begrenzen. Unser Ziel lautete, mit der kleinstmöglichen Abwandlung des anfänglichen Temperaturmusters (um die Eingriffe bei einem echten Sturm so einfach wie möglich zu halten) die schlimmsten Sturmböen während der letzten beiden Stunden-Intervalls zu drosseln. In diesem Fall ergab das 4dVar-Verfahren, dass zur Begrenzung der Sturmschäden vor allem die Anfangstemperaturen in der Nähe des Sturmauges zu erhöhen wären - an einigen Stellen um immerhin zwei bis drei Grad Celsius. Im weiteren Umkreis - bis in Entfernungen von 800 bis 1.000 Kilometern - wären nur noch kleinere Temperaturänderungen (um weniger als ein halbes Grad) nötig. Diese Störungen bilden ein wellenartiges Muster aus abwechselnd wärmeren und kälteren Ringen um das Zentrum des Hurrikans.

Von der Theorie zur Praxis

       Obwohl die künstlichen Eingriffe nur die Temperatur betrafen, schlugen sie nach kurzer Zeit auf alle Schlüsselvariablen durch. Bei der Simulation des Originalhurrikans stiegen die Windgeschwindigkeiten am Ende des Sechs-Stunden-Intervalls im gesamten Süden Floridas auf über achtzig Kilometer pro Stunde; in dem veränderten Modellauf wurde diese kritische Grenze für Schäden an Gebäuden und Einrichtungen dagegen nirgendwo erreicht.
       Als Test auf die Verlässigkeit dieser Ergebnisse brachten wir dieselbe Störung in einem noch feinmaschigeren Gitter mit entsprechend höherer Auflösung an. Das Resultat war sehr ähnlich. Demnach hing der Ausgang unserer Experimente nicht von einem bestimmten Modell oder seiner Konfiguration ab. Allerdings tauchten auch in der veränderten Simulation nach weiteren sechs Stunden wieder Winde mit Geschwindigkeiten oberhalb der Schadensgrenze auf, sodass es weiterer Interventionen bedurft hätte, Südflorida zu schützen. Tatsächlich scheint eine Serie gezielter Eingriffe erforderlich zu sein, will man einen Hurrikan über längere Zeit unter Kontrolle halten.
       Wenn sich also Hurrikan, wie unsere Ergebnisse andeuten, durch kleine Änderungen der Temperatur auf vorhersagbare Weise ablenken oder abschwächen lässt, stellt sich als Nächstes die Frage: Wie kann man solche Störungen erreichen? Natürlich ist das nicht einfach.
       Die benötigte Energiemenge wäre gewaltig, aber eine ohnehin geplante Serie von Solarkraftwerken im Weltall könnte sie eines Tages liefern. Diese Strom erzeugenden Satelliten würden mit riesigen Spiegeln das Sonnenlicht auf Solarzellen fokussieren, welche dien aufgefangene Energie zu Mikrowellenempfängern am Boden senden. Damit keine Energie verloren geht, soll die zur Ende geschickte Strahlung zwar eine Frequenz haben, bei der sie die Atmosphäre ungehindert passiert und die Luft nicht durch Absorption erwärmt. Für die Beeinflussung des Wetters könnte man jedoch auf Frequenzen überwechseln, bei denen die Mikrowellen von Wasserdampf teilweise oder ganz verschluckt werden. So ließen sich gezielt Bereiche der Atmosphäre in einer gewünschten Höhe aufheizen.
       Dabei blieben allerdings, da Mikrowellen Regentropfen praktisch nicht durchdringen, große Gebiete in Inneren des Hurrikans und darunter unzugänglich. Ausgerechnet dort, wo 4dVar in den geschilderten Experimenten die größten Temperaturänderungen ergab, würde die Fernheizung aus dem All somit nicht funktionieren. Deshalb machten wir weitere Simulation, bei der wir die Temperatur im Zentrum des Hurrikans konstant hielten, während der Computer den optimalen Satz an Störungen suchte. Auch unter dieser Einschränkung gelang es, den Hurrikan in der gewünschten Weise zu beeinflussen: Zum Ausgleich für die gleich bleibende Anfangstemperatur im Sturmzentrum mussten eben nur die Temperaturänderungen außerhalb größer ausfallen. Wie sich zeigte, erwärmte sich während der Simulation dann das Auge des Hurrikans binnen Kurzem von selbst.
       Eine andere potenzielle Methode zur Beeinflussung schwerer tropischer Stürme wäre die direkte Einschränkung der Energiezufuhr durch Überziehen der Meeresoberfläche mit einem dünnen Film aus biologisch abbaubarem Öl, das die Verdunstung verlangsamt. Denkbar wäre auch, schon Tage vor dem Herannahen eines Hurrikans und Tausende von Kilometern von der Küste entfernt schrittweise Eingriffe vorzunehmen. Indem diese sich auf den Luftdruck auswirken, könnten sie Veränderungen in den großräumigen Windmustern im Bereich des Strahlstroms hervorrufen, was einen bedeutenden Einfluss auf Intensität und Zugbahn des Wirbelsturms hätte. Vielleicht ließen sich die geeigneten Veränderungen am Anfangszustand sogar durch relativ kleine Modifikationen bei normalen menschlichen Aktivitäten herbeiführen. So könnte man Flugzeiten und -routen so anpassen, dass die Flugzeuge gezielt an bestimmten Stellen zu einer bestimmten Zeit Kondensstreifen erzeugen und so die Wolkenbildung fördern, oder die Feldbewässerungsrate regional gezielt zu steigern oder zu drosseln.
       Sollte es irgendwann in der Zukunft tatsächlich gelingen, das Wetter zu steuern, ergeben sich allerdings schwierige politische Probleme. Was wäre, wenn ein manipulierter Hurrikan zwar ein Land verschont, sich dafür aber über einem anderen austobt? Und obwohl ein UN-Beschluss den Eingriff in das Wetter als Waffe seit den späten 1970er Jahren verbietet, könnten manche Nationen in Versuchung geraten, wenn die vorerst rein theoretische Möglichkeit in den Bereich des Machbaren rückt.
       Doch bis dahin ist es noch weit, Ohnehin sollte man unsere Methoden nicht gleich auf Hurrikane anwenden, sondern erst im kleinen Maßstab testen. So könnte man zunächst versuchen, in einem eng begrenzten Gebiet, wo sich leicht per Flugzeug oder vom Boden aus Störungen einbringen ließen, die Niederschläge zu verstärken. Mit einer dichten Anordnung von Sensoren ließe sich dann die Gültigkeit unsere Konzepte prüfen. Wenn das Verständnis der Wolkenphysik, die digitale Wolkensimulation und die Verfahren zur Datensimulation so schnelle Fortschritte machen, wie wir hoffen, könnte man vielleicht in zehn bis zwanzig Jahren mit diesen bescheidenen Experimenten beginnen. Sollten sie erfolgreich verlaufen, müssten die Politiker die Situation neu überdenken. Vielleicht erschiene die großräumige Steuerung des Wettergeschehens durch Eingriffe aus dem All dann weniger als Bedrohung denn als sinnvolles Ziel, auf das sich die Menschheit einigen könnte.

Autor und Literaturhinweise
Ross N. Hoffman ist Vizepräsident für Forschung und Entwicklung bei der US-Firma Atmospheric and Environmental Research (AER) in Lexington (Massachusetts). Davor war er beim Nationalen Forschungsrat der USA Mitglied im Komitee für den Stand und die zukünftigen Richtungen von Forschung und Maßnahmen zur Wettermodifikation.
Critical issues in weather modification research.
Von Michael Garstang et al. National Academy Press, Washington 2003

Controlling the global weather.
Von Ross N. Hoffman in: Bulletin of the American Meteorological Society, Bd. 83, S. 241, Februar 2002

The rise and fall of the weather modification: changes in american attitudes toward technology, nature and society.
Von Chunglin Kwain in: Changing the Atmosphere. Von Clark Miller und Paul Edwards (Hg.), MIT Press, 2001

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